Die Psychologie des Spiels

Derzeit verbringe ich den deutschen Winter in Südafrika. Vor Kurzem habe ich mit Freunden ein Scramble-Turnier gespielt. Einer von ihnen ist ein exzellenter Golfer in seinen 50ern, der während seines Studiums sogar mit dem Gedanken gespielt hatte, Profi zu werden. Er war als junger Mann College-Golfer in den USA und sein bestes Handicap war +6. 

Warum die Vorbereitung so wichtig ist

Gleich zu Beginn erklärte er jedoch, dass er „nur noch“ ein Handicap von 3 spiele, da er nicht mehr chippen könne. Schuld seien die Yips, die ihn bei Annäherungsschlägen plagen. Das machte mich hellhörig, denn in den letzten zwei Jahren hatte ich ähnliche Erfahrungen gemacht. Meine Reise ging sogar so weit, dass ich wochenlang einhändig – nur mit der rechten Hand – gechippt habe. Ich erzählte ihm, dass ich diese Phase ebenfalls durchgemacht, das Problem aber inzwischen überwunden hatte. Natürlich gab ich ihm ein paar Tipps, wie ich meine Yips in den Griff bekommen habe. Wenige Tage zuvor hatte ich in meinem neuen Club, dem Metropolitan GC, eine Par-Runde gespielt – ohne jegliche Probleme bei den Annäherungen. Dementsprechend war mein Selbstvertrauen groß. Ich dachte mir: "Ich habe das Problem gelöst, also schau dir an, was mir geholfen hat."

Doch dann kam das Turnier. Wir hatten keine Zeit zum Einspielen, und durch das Scramble-Format landeten wir als Team ständig in Situationen mit 20 bis 40 Metern zur Fahne – genau die Schläge, die mein Mitspieler zu vermeiden versuchte. Das Problem: Nicht nur er, sondern auch ich hackte mich durchs kurze Spiel, als hätte ich noch nie ein Wedge in der Hand gehabt. Zum Glück waren wir zu viert und schafften immerhin eine 66, aber motivierend war das nicht gerade.

Ein paar Tage später, nachdem ich auf dem Chipping-Grün trainiert hatte, lief es wieder. Meine Annäherungen saßen, und ich konnte meinen Score auch bei windigen Bedingungen zusammenhalten. Aber worauf will ich hinaus?

An diesem Tag war es nicht mein Rhythmus, der fehlte – ich hatte vielmehr das Gefühl, mich selbst blockiert zu haben. Statt meine Routine beim Chippen abzuspulen, dachte ich unbewusst: Bloß nicht die gleichen Fehler machen wie früher. Und genau das passierte dann.

Die Lektion? Gutes Golf beginnt im Kopf. Wenn du nicht daran glaubst, dass du einen Schlag beherrschst, wird er nicht gelingen. Du musst dich in deiner Komfortzone bewegen – sonst schleichen sich alte Muster und Unsicherheiten wieder ein.

Gutes Putten beginnt mit der richtigen Vorbereitung

Mittlerweile habe ich knapp 15 Runden in und um Kapstadt gespielt und war vor allem mit meinem Putten sehr zufrieden. Aus meiner Sicht ist das Putten seit Langem der stärkste Part meines Spiels. Allerdings brauche ich dafür schnelle und gleichmäßige Grüns, um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen. Für mich bedeutet gutes Putten, den Schlag in zwei Aspekte zu unterteilen:

  1. Den Putt wie geplant ausführen:
    Der Ball soll genau dorthin gehen, wo ich ihn haben möchte – sowohl in Richtung als auch in Länge. Bei langen Putts ist ein Ergebnis innerhalb eines Meters (eine Putterlänge) gut. Bei kurzen Putts hingegen ist das Ziel immer, sie zu lochen. Putts innerhalb eines Meters mit normalem Break sollten sicher drin sein.
  2. Das Grün richtig lesen:
    Dies ist der schwierigere Part, bei dem Fehler passieren können. Solange ich den Ball jedoch dorthin spiele, wo ich ihn haben wollte, ist ein Miss für mich in Ordnung.

Schlechtes Putten hingegen bedeutet für mich, dass ich meine Vorstellung nicht auf den Schlag übertragen kann. Ein gelochter Putt, bei dem ich die Linie falsch gelesen habe, der Ball aber durch einen Push oder Zufall ins Loch fällt, zählt für mich nicht als guter Putt. Das ist schlicht Glück.


Die Psychologie dahinter

Vor Kurzem hatte ich eine frühe Startzeit. Vor mir standen zwei Greenfeespieler, die für den Check-In im Pro-Shop etwa zehn Minuten benötigten. Alles wurde hektisch, und ich entschied mich, lieber noch ein paar Chips zu spielen und ein paar Bälle ins Netz zu schlagen. "Putten läuft ja eh immer", dachte ich.

Normalerweise mache ich vor jeder Runde die Übung Circle Putting aus meinem Buch – ein fester Bestandteil im Trainingsrepertoire fast aller Tourspieler. Im Metropolitan, wo die Grüns meist eine Geschwindigkeit von zehn oder mehr auf dem Stimp-Meter haben (also sehr schnell sind), versuche ich dabei, mindestens sechs Putts in Folge zu lochen. Das gelingt mir meist im ersten oder zweiten Anlauf. Außerdem mache ich ein paar Putts zur Längenkontrolle, um ein Gefühl für die Geschwindigkeit der Grüns zu bekommen. Hierbei nutze ich das System von Audio Golf (mehr dazu hier).

Diesmal jedoch ließ ich das Putten komplett aus.

Das Ergebnis auf meiner 9-Loch-Runde:

  • Drei-Putt auf der 2.
  • Einen einfachen Rechts-Links-Putt aus einem Meter auf der 3 verschoben.
  • Up-and-down aus einem Meter auf der 5 verputtet.
  • Drei-Putt auf der 6.

Alle Putts waren entweder zu lang oder wurden mit falschem Tempo gespielt. Kurze Putts liefen durch den Break, weil ich sie nicht mit der richtigen Geschwindigkeit gespielt habe.

Lektion gelernt

Während der Runde spielte sich in meinem Kopf Folgendes ab: "Naja, ohne richtige Vorbereitung kann das ja nichts werden." Dieser negative Mindset führte zu weiteren Unsicherheiten und schlechten Schlägen.

Was kann man daraus mitnehmen? Die Routine vor der Runde ist genauso wichtig wie das, was später auf dem Platz passiert. Sie schärft die Bewegungsabläufe und gibt Selbstbewusstsein. Wenn man erst auf dem Platz anfängt, sich an die Bedingungen zu gewöhnen, ist es oft zu spät.



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